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Vom Glück, daheim zu sein

Gute Jobs in der Heimat - Quedlinburg, Aschersleben, Bernburg

Vom Glück, daheim zu sein

Meine Eltern sagen, ich bin eine Quatschtante“, stellt sich Ella der Besucherin vor. Tatsächlich ist die achtjährige Tochter von Yvonne und Christian Krüger, Schülerin der Grundschule Prettin, ein aufgeschlossenes und mitteilsames Mädchen. Noch muss eine Menge Wasser die Elbe herab fließen, bevor Ella flügge wird und ihren eigenen Lebensplänen nachgeht. Ihr Vater mag sich das noch gar nicht nicht vorstellen: „Ich lasse sie nicht fort“, sagt er. Seine Frau sieht das anders: „Ich fände es schon gut, wenn sie weitreichende Erfahrungen macht“, so die 37-Jährige.Enklave der „Gallier“Als Ella 2010 geboren wurde, lebte die Familie in Filderstadt in Baden-Württemberg. Nach dem Abitur am Gymnasium Jessen hatte Yvonne Krüger in Braunschweig Wirtschaftsrecht mit Schwerpunkt Arbeitsrecht studiert. 2004 hatte es sie dann nach Stuttgart verschlagen, wo sie bei einem mittelständischen Automobilzulieferer arbeitete. „Ich war dort zufrieden und glücklich“, sagt sie. Ihr Freundeskreis dort bestand hauptsächlich aus jungen Leuten, die ebenfalls aus Ostdeutschland stammten, deren Biografien sich ähnelten, die mangels Perspektive in der Heimat oder aus Abenteuerlust in der Ferne ins Berufsleben gestartet sind. „Es war wie Magnetismus. Man hat sich dort irgendwie immer gefunden. Wir waren wie die Gallier auf einer Insel.“Christian Krügers erste Station nach seinem Weggang aus Prettin war ebenfalls Stuttgart, bei Daimler hatte er einen Job gefunden. Dabei hätte der gelernte Kfz-Schlosser nicht von zu Hause fortziehen müssen: „Ich hatte in der Region die Wahl zwischen drei Autohäusern. Das war seinerzeit Luxus“, erzählt er. „Unser einziges Kriterium war aber das Geld. Was dort schon ein Ungelernter gekriegt hat, war gigantisch. Hier war noch nicht mal an Mindestlohn zu denken.“ Zwar waren die Preise dort auch andere, aber zu siebent in einer Wohngemeinschaft sei noch eine Menge übrig geblieben. 2004 ging er nach Papenburg, blieb aber beim gleichen Arbeitgeber.Außer zu regelmäßigen Elternbesuchen zieht es die jungen Leute gemeinhin zu den Heimatfesten nach Hause. Zum Jessener Schul- und Heimatfest 2007 liefen sich Yvonne und Christian Krüger über den Weg. „Wir kannten uns noch aus der Discozeit“, erzählt sie. Diesmal hatte es richtig gefunkt. Fortan pendelten sie an den Wochenenden abwechselnd zwischen Nord- und Süddeutschland und zwischendurch heim zu den Eltern.Ohne mütterlichen Rat2008 zogen sie zusammen in eine kleine Dreizimmer-Einliegerwohnung einer Familie im Raum Esslingen. „Die Besucher unseres Vermieters haben sich immer gewundert über unser Autokennzeichen WB und gemeint, wir kämen aus Wolfsburg.“ Sie arbeiteten in der selben Firma, er in der Entwicklungsabteilung, sie als Personalerin. „Wir haben richtig gut verdient, konnten uns alle Wünsche erfüllen.“ Und doch: Je näher Ellas Geburtstermin rückte, um so öfter spielten die werdenden Eltern mit dem Gedanken, in die Heimat zurück zu ziehen. Freilich gab es auch in Süddeutschland Freunde sowie Kollegen und Nachbarn, mit denen sie sich gut verstanden. Aber daheim waren die Eltern, die sich aufs Enkelkind freuen und es nur selten sehen würden.„Wir sind beide in sehr enger Beziehung mit unseren Großeltern groß geworden“, sagt Christian Krüger. „Das haben wir uns für unser Kind auch gewünscht.“ Zudem müssten sie sich Gedanken machen um die künftige Kinderbetreuung; Tagesstätten, die Müttern einen Vollzeitjob ermöglichen, sind in Süddeutschland bis heute nicht selbstverständlich. Auch abends mal ausgehen wäre nicht drin gewesen. Wer hätte auf das Kind aufpassen sollen?Als Ella geboren war und sich Yvonne Krüger so manches mal Rat und Tat ihrer Mutti herbei sehnte, fiel der Entschluss recht schnell. „Meine Mutter fand es sogar etwas unvernünftig, dass wir so ins Blaue hinein unsere sicheren Jobs aufgeben“, erzählt die junge Frau. Noch während der Elternzeit mieteten sie eine Wohnung in Jessen.Mut nicht nehmen lassenMit dem Arbeitgeber hatten sie abgesprochen, dass sie Nachfolger einarbeiten. Und so pendelten sie wieder im wöchentlichen Wechsel, „wir haben uns manchmal nur auf dem Flughafen getroffen, einmal bin ich sogar in den Flieger gestiegen, mit dem sie gerade gekommen war“, erzählt der Familienvater. Aber Ella wussten sie bei „Oma und Opa Jessen oder Oma und Opa Prettin“ gut behütet.2012 waren sie wieder ganz zurück. Yvonne Krüger arbeitete zunächst bei SKW in Piesteritz, ihr Mann stieg in die freie Kfz-Werkstatt ein, die sein Vater aus der Arbeitslosigkeit heraus gegründet hatte. „Enttäuscht war ich über die Reaktion mancher Mitmenschen“, erzählt die junge Frau. Die Vorbehalte seien größer gewesen als seinerzeit im Westen. „So nach dem Motto, was die hier wollen, im Westen sind sie wohl nichts geworden“. Das habe sie richtig geärgert. „Wir haben uns doch wirklich bewegt, uns angestrengt, Mut gehabt und das Risiko nicht gescheut, wie es heutzutage von jungen Menschen gefordert wird“, so Yvonne Krüger.So etwas verdiene Anerkennung, meint die Frau, die seit 2016 die Personalleitung in der Jessener Molkerei der Bayerischen Milchindustrie inne hat. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Anwerbung von Personal und Auszubildenden. Auf Berufsmessen wie beim Jessener „Tag der Berufe“ zeigt sich die große Chancenvielfalt, die sich den Schulabgängern heutzutage bietet. „Das ist ein großer Luxus, wenn ich daran denke, wie unseresgleichen damals gebangt hat, eine Lehrstelle zu kriegen“, meint die 38-Jährige, dass viele Jugendliche heute geradezu „fahrlässig“ damit umgehen. „Aber das ist wohl eine andere Generation.“Neues BewusstseinAuch beim Rückkehrertag der regionalen Wirtschaftsförderung Ende 2017 war Yvonne Krüger für die BMI präsent. „Wie da junge Familien kamen, mit Kinderwagen - da habe ich uns noch einmal wieder erkannt.“ Inzwischen wohnt Familie Krüger in Prettin, sie haben sich ein kleines Anwesen gekauft, nur ein paar hundert Meter vom Elternhaus entfernt. Ella genießt es, kurzentschlossen zu ihren Prettiner Großeltern hüpfen zu können. Ihren ersten Wohnort kennt sie nur von Fotos. „Eine Katze hätte ich dort bestimmt nicht haben können“, sagt das Mädchen. „Jetzt können wir sagen, wir sind richtig zu Hause angekommen“, meint Christian Krüger. Er freut sich auf den Sommer, mit dem Moped ins Grüne zu fahren, an der Elbe zu stehen. „Es ist nicht nur Geld und Arbeit“, was glücklich mache, sagt er. „Es ist eben ,heeme’.“ Ute Otto

Perspektiven - Fachkräften bietet das Land viele Fördermöglichkeiten.

03.04.2018  14.00 Uhr

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Christian, Ella und Yvonne Krüger lieben ihr Prettiner Zuhause. 
FOTO: UTE OTTO