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Lamprecht-Gymnasium?

Jessen feiert

Lamprecht-Gymnasium?

Am 28. Juni wurde dem begeisterten Publikum im Jessener „Schützenhaus“ ein bemerkenswertes Buch präsentiert: „Geschichte der Stadt Jessen (Elster) in Bildern“, geschrieben von Dennis Weiner aus Jessen und Ulf Lehmann aus Herzberg. Die offizielle Festschrift zum 800-jährigen Bestehen der Stadt ist schon jetzt ein Bestseller der regionalgeschichtlichen Literatur.Sie musste inzwischen bereits nachgedruckt werden, damit sie auch zum Schul- und Heimatfestes im Buchhandel erhältlich ist. Denn das reich bebilderte Werk mit seinen kurzweilig geschriebenen, überaus informativen Begleittexten wird auch viele ehemalige Jessener begeistern, wenn sie ihr „altes Nest“ besuchen..

800 Jahre Jessen und 160. Geburtstag könnten Anlass sein.

08.08.2016 14.00 Uhr

Lamprecht-Gymnasium?-2
Ines Mann am Grab des Vaters von Karl Lamprecht in Jessen. Seine Ruhestätte hat der Gelehrte in Kloster Pforta gefunden. Ines Mann hat die „Kindheitserinnerungen“ in eine moderne Form gefasst und mit historischen Fotos angereichert. Das kleine Bild stammt aus dem Archiv von Ines Mann: Karl Lamprecht als Rektor der Universität Leipzig in seiner Wohnung.
FOTOS: ARCHIV I. MANN/ G. ZAHN

Berühmter Sohn der Elsterstadt

Auf Seite 70 des 200 Seiten umfassenden Bandes finden die Leser ein Zitat von Professor Dr. Karl Lamprecht (1856 – 1915). Es berührt auf besondere Weise: „Meine liebe Heimat ist das Städtlein Jessen“, schreibt er. Der bisher wohl berühmteste Sohn der Stadt beginnt mit diesen schier zärtlich klingenden Worten seine „Kindheitserinnerungen“.

Karl Lamprecht gilt nach wie vor als einer der bedeutendsten Sozialhistoriker Deutschlands. Sein mehrbändiges Lebenswerk „Deutsche Geschichte“, der nachfolgend entfachte „Methodenstreit“ und zahlreiche Publikationen aus seiner Feder nehmen auch heute noch renommierte Geschichts-, Politik- und Kulturwissenschaftler als Grundlage eigener Interpretations- und Forschungsarbeit. Und: Lamprecht hatte als Rektor an der Leipziger Universität einige Reformen angeschoben,die in weiterentwickelter Form noch immer Studiengänge durchdringen.

Mit Bedacht wurde deshalb dem großen Gelehrten eine Doppelseite in der Jessener Stadtbiografie gewidmet und mit besonderem Augenmerk auch jenes anrührende Zitat übertragen. Denn viele Bürger Jessens sehen sein Andenken in der Heimatstadt längst nicht ausreichend geehrt, wie Dennis Weiner bekundet. Er geht in die Offensive: „Seit vielen Jahren wird immer wieder diskutiert, ob unserem Gymnasium ein Name verliehen werden soll, und wenn ja, welcher. Ich bin sicher, dass Karl Lamprecht der beste Namenspatron für dieses Haus ist. Hier lernen begabte junge Menschen und bereiten sich auf ihr Studium vor! Zudem feiern wir im Stadtjubiläumsjahr auch den 160. Geburtstag Karl Lamprechts. Das wären gleich zwei würdige Anlässe.“

Beifall brandet nach Weiners Worten auf, sogar BravoRufe werden laut. Er legt nach: „Wir haben in Jessen eine Schule, die nach dem Künstler Max Lingner benannt ist und dessen Erbe pflegt. Seine Eltern und die Schwester lebten viele Jahre in unserer Stadt. Der Wissenschaftler Karl Lamprecht ist sogar hier aufgewachsen und blieb sein Leben lang eng mit Jessen verbunden.

Hoffnung auf intensive Diskussion

Inmitten vieler Lamprecht-Verfechter freuen sich auch Ines Mann und Peter Raschig über dieses Plädoyer. Beide unterstützen als heimatgeschichtlich bewanderte Bürger seit vielen Jahren diesen Vorschlag. Ines Mann bekräftigt: „Ich hoffe, dass die Diskussion jetzt endlich von den maßgeblichen Stellen engagiert aufgegriffen wird.“

Im Jahr 2006 hatte Ines Mann ein „Lamprecht-Zimmer“ im Rathaus-Gebäude eingerichtet. Doch ihr Engagement fand bei damaligen Stadtverantwortlichen wenig Echo. Das Zimmer wurde geräumt, Relikte im Pfarrhaus eingelagert. Sie selbst besitzt Lamprechts „Kindheitserinnerungen“ im Original und hütet es unter ihrem Dach.

Kurz nachdem Lamprecht verstorben war, haben seine Töchter Marianne und Else das Büchlein herausgebracht. Der Wissenschaftler hat einen Großteil dieser Niederschrift seinen Eltern und dem „Städtlein Jessen“ gewidmet.

Seine Worte verkünden auch nach einem Jahrhundert noch vom Stolz, ein „Jessener“ zu sein: „Wie aber soll ich nun dich, mein liebes Jessen, schildern, wie in den Geist einführen, der dich beherrscht und in dir herrscht? Mir kommt nichts Besseres ein, als dich zunächst in deinem Sonntagsstaat zu zeigen, im schönsten der vielen Feste, die du durch die Runde des Jahres, befeuchtet von selbstgekeltertem Wein, feierst: im Kinderfest (...)“ Dabei beschreibt Lamprecht auch seine Gefühle nach dem Singen des Heimatliedes: „Es war eine tief ergreifende Viertelstunde, alle die Jungen und Alten zusammenstehen zu sehen und singen zu hören vom ,alten, lieben Jessen’“. gzn.